Teilprojekt eines gemeinsamen Forschungsvorhabens mit Prof. Dr. Klaus Herbers (Geschichte) und Prof. Dr. Hartmut Bobzin (Arabistik) unter dem Titel "Die Mozaraber. Kulturelle Identität zwischen Orient und Okzident" im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogrammes 1173 "Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter"Die Definition von Identität rekurriert im allgemeinen auf zwei miteinander eng verbundene, doch gegensätzliche Mechanismen, jenen der Abgrenzung und jenen der Angleichung. Sie werden auf unterschiedliche Objekte, Gruppen oder Traditionen ausgerichtet, verfolgen aber dasselbe Ziel, nämlich ein geeignetes Mittel gegen die Assimilation an die Umgebung zu finden. So erfolgt die Abgrenzung einer Minderheit, indem sie ihre als gegenüber der Mehrheit distinguierend empfundenen Eigenschaften mündlich, schriftlich oder rituell hervorhebt. Die Angleichung kann nicht autonomen Minderheiten (z.B. sprachlicher oder religiöser Natur) dazu dienen, eine feste Verbindung zur referentiellen Gruppe zu etablieren.
Das Projekt setzt sich zum Ziel, diese beiden Mechanismen anhand der lateinischen Literatur der unter islamischer Herrschaft lebenden Christen auf der iberischen Halbinsel im Frühmittelalter zu untersuchen. Es geht dabei in erster Linie um den Umgang mit der Bibel und ihrer Exegese.
Das Projekt möchte die Strategien erhellen, welche der Schaffung einer textual community (Brian Stock) unter diesen Umständen zugrundeliegen. Im Zentrum des Interesses stehen daher jene Texte, welche eine auf der Bibel fundierte Reflexion über die Glaubensgrundlagen enthalten, insbesondere die Briefe und der Indiculus luminosus des Paulus Albarus (gest. um 860) und der Apologeticus des Samson von Cordoba (gest. 890), aber auch weitere Texte des Corpus scriptorum muzarabicorum wie die Quaestiones de trinitate.
Vor allem die Schriften von Paulus Albarus und Samson sind sowohl polemische Stellungnahmen gegen die Fundamente des islamischen Glaubens als auch für sich Autorität beanspruchende Darlegungen der eigenen Grundsätze.
Die Abgrenzung gegenüber dem islamischen Glauben ist in der vor allem Eulogius und Paulus Albarus gewidmeten Forschungsliteratur schon gewürdigt worden. Bisher kaum untersucht sind aber die Mechanismen der Angleichung an die christliche Tradition. Die Angleichung erfolgt, indem zum einen die lateinische Sprache eingesetzt wird (zu deren diesbezüglicher Bedeutung äußern sich die Verfasser ausdrücklich) und zum anderen auf das Erbe der lateinischen Kirchenväter zurückgegriffen wird, die somit als Bestandteil des für die Glaubensgemeinschaft konstituierenden Erbes deklariert werden.
Hier ist allerdings zu fragen, ob diese Autoren die Errungenschaften der zeitgenössischen Exegese im Karolingerreich nutzen oder sie sich davon unterscheiden. Erste Stichproben haben ergeben, dass eine diesbezügliche Untersuchung vielversprechend ist. So weist der Apologeticus des Samson einige Züge auf, welche die karolingische Exegese kennzeichnen, etwa den Rekurs auf dichterische Autoritäten in dogmatischen Fragen. Die Kenntnis der karolingischen Produktion im Cordoba des 9. Jahrhunderts ist historisch belegbar. Paulus Albarus verfasst z.B. Versi in biblioteca Leobegildi in direkter Anlehnung an das entsprechende Gedicht des 821 verstorbenen Theodulf von Orléans.
Nicht weniger interessant ist ein zweiter Weg, den Samson von Cordoba einschlägt. Im ersten Buch seines Apologeticus behandelt er eine Kernfrage des doktrinären Streites mit den Muslimen, nämlich das Wesen Christi als Sohn und die Trinität im allgemeinen, verzichtet aber dabei weitgehend auf auctoritates der lateinischen Patristik, um sich ausschließlich auf die Bibel zu stützen. Im Frühmittelalter wurden ähnliche Frage sowohl in der muslimischen Welt als auch in der christlichen Apologetik in arabischer Sprache behandelt. Inwieweit Beziehungen zwischen ihnen und den früheren Stellungnahmen zur Trinitätslehre etwa bei Samson von Cordoba existieren und wie sich diese gestalten, wird die Untersuchung zu klären versuchen (es wird dabei die Kompetenz des sich am Projekt beteiligenden Orientalisten genutzt). In diesem Kontext erhält die Tatsache, dass die Handschrift von Samsons Apologeticus arabische Glossen von einer zeitgenössischen Hand trägt, neue Bedeutung. Den medialen Aspekten des Komplexes werden durch die Untersuchung der Überlieferung der behandelten Texte gebührend Rechnung getragen werden.